Die Tuchfabrik Ruhr-Lückerath in Euskirchen

"Immer auf dem neusten Stand"

Detlef Stender

"Da hatte man gedacht, die überleben. Die hatten die Webautomaten. Da konnte man schön Geld verdienen. Das hieß natürlich direkt Tag- und Nachtschicht. Die Konstruktion bei Ruhr -Lückerath, die war immer auf dem neusten Stand. Die waren immer wieder bereit, was Neues anzuschaffen, das neue System, alles mit REFA durrchgeforstet, alles!"

Diesen Eindruck hatte ein Arbeiter, der 1961 von der gerade geschlossenen kleinen Tuchfabrik Müller zur viel größeren Firma Ruhr-Lückerath in Euskirchen ging. Man sah die Zukunft der Firma damals noch rosig: Ein Weber bediente dort sechs - statt einen oder zwei Webstühle wie in der Tuchfabrik Müller - gleichzeitig. Zugleich war dort die Arbeitsteilung sehr viel ausgefeilter. Der Weber bediente tatsächlich nur noch die Maschine und korrigierte kleine Fehler. Für den Materialnachschub, Tuchtransport, größere Reparaturen und neue Einstellungen waren andere Arbeiter und Einsteller zuständig. In der Tat war Ruhr-Lückerath bekannt dafür, das stets konsequent modernisiert wurde und alle Produktionsverfahren auf dem neusten Stand war.

Doch auch diese neue Welt hatte auf Dauer keinen Bestand. 1982 passierte, was lange niemand glauben mochte: Auch die Firma Ruhr-Lückerath musste als letzte Euskirchener Tuchfabrik schließen und die 180 noch verbliebenen Beschäftigen entlassen. Der immer rasanter werdende technische Fortschritt erforderte immer größen Kapitaleinsatz. Erhebliche Preissteigerungen der Rohstoffe, eine Mode, die eher Baumwoll- als Wollprodukte präferierte - man denke nur an Jeans und Parkas! - und Billigimporte aus Niedriglohnländern erzwangen die Einstellung des Betriebs. Dem imposanten Gebäudekomplex ist die Größe des Betriebes unschwer anzusehen. Die ersten Gebäude wurden hier bereits in den 1850er Jahren errichtet. Das mehrstöckige Gebäude in der Mitte des Ensembles wurde 1887 erbaut und ist in seiner Form als Hochbau mit Rundbogenfenstern (nur noch im Erdgeschoss erhalten), der langen Fensterachse und den Mauerankern ein typischer Fabrikbau jener Zeit. Er diente zum Schluss vor allem als Verwaltung. 1919 wurde der Betrieb der beiden traditionsreichen Euskirchener Tuchfabriken Ruhr und Lückerath vereinigt. Um den Kern der Gebäude aus dem 19. Jahrhundert herum wuchs allmählich - von keinerlei Raumproblemen bedrängt - ein großes Firmengelände heran. Auffällig sind das große Kessel- und Turbinenhaus mit mächtigem Schornstein und die weitläufigen, ebenerdigen Shedhallen, die als Wolferei, Krempelei, Spinnerei und Fertigappretur genutzt wurden. Die Weberei befand sich im Hochbau parallel zum Veybach.

Ein neuer Besitzer hat für das 22.000 m² große Firmengelände ein zukunftgerichtetes Nutzungskonzept entwickelt, das das alte Firmengelände nicht einfach als billigen, drittklassigen Abstellplatz betrachtet. Der Besitzer denkt an eine hochwertige Loft-Nutzung: an Büros, Ateliers, Werkstatt- und Lagerflächen. Bereits jetzt sind dort zum Beispiel ein anspruchsvoller Badeinrichtungsladen, ein Sanitär-Großhandel und eine Messefirma ansässig. In dem Einrichtungsladen für Bäder wurde die historische Fabrikarchitektur gar liebevoll inszeniert und in das Präsentationskonzept gefühlvoll integriert.

Lage:
Zwischen Euskirchen und Euenheim, am westlichen Ortsausgangs von Euskirchen (Richtung Mechnich), an der B 266, als Gewerbepark Ruhr an der Bundesstraße ausgeschildert.

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