Die Zuckerfabrik Jülich

Vom Luxusgut zur Alltagsware

Gabriele Harzheim
 

Obwohl die Menschheit seit mehr als 2000 Jahren Kristallzucker kennt, ist die Geschichte des Rübenzuckers erst 200 Jahre alt. Von den einstmal zahlreichen Zuckersiedereien im Rheinland sind heute nur noch drei industrielle Großbetriebe übrig geblieben. Die Jülicher Zuckerfabrik ist eine davon.

Wer kennt sie nicht, die verlockende Süße in Kristallform, als Würfel-, Puder- oder Gelierzucker, in Schokolade, Bonbons, Kuchen oder versteckt in Fruchtsaftgetränken, Tomatensoße oder Wurst. Das einstige Luxusgut Zucker ist heute allgegenwärtig.
Ansicht der Zuckerfabrik von der Dürener Straße
Foto © Gabriele Harzheim
Bis heute wird weltweit der meiste Zucker aus Zuckerrohr gewonnen. Das seit dem Mittelalter aus dem Orient und später aus Mittel- und Südamerika importierte Rohr wurde in Europa weiterverarbeitet. Zentrum der Zuckerraffination war bis ins 16. Jahrhundert hinein Antwerpen. Um 1800 gab es auch am Rhein erste Siedereien, sogenannte Zuckerbäckereien, die von Kolonialwarenhändlern betrieben wurden. Eine Umwälzung der Zuckerproduktion, die große Auswirkungen auch auf die regionale Landwirtschaft haben sollte, war die Extraktion von Zucker aus der Runkelrübe 1747 durch Andreas Sigismund Marggraf. Sein Schüler Franz Carl Achard setzte die Forschungen fort und gründete mit finanzieller Unterstützung des preußischen Staates 1802 in Cunern (Schlesien) die erste Rübenzuckerfabrik der Welt. Begünstigt durch die seit 1806 herrschende Kontinentalsperre entstanden auch im Rheinland schon bald die ersten Rübenzuckermanufakturen. 1811 verarbeitete der Kölner Seidenwarenkaufmann (!) Johann Jakob Herstatt schon 600.000 kg Rüben jährlich, und 1813 gab es im Roerdepartement bereits 4.000 Hektar Rübenfelder und insgesamt 23 neue Zuckerrübenfabriken als Kleinbetriebe, wobei die Zuckerausbeute zwischen zwei und drei Prozent lag. Zum Vergleich: heute liegt sie bei 16-20 Prozent.
Firmenschild
Foto © Gabriele Harzheim
Seit den 1860er Jahren setzte sich der Rübenzucker in Deutschland endgültig durch. Die Züchtung neuer Rübensorten führte zu einem immer höheren Zuckergehalt der Früchte. Nachteil war allerdings der hohe Düngemittelbedarf der Kulturen und deren Frostempfindlichkeit. Zu den Anbauschwerpunkten im Rheinland entwickelten sich die fruchtbaren Bördenlandschaften, insbesondere die Zülpicher und Jülicher Börde. Auch die Konzentration der Zuckerproduktion in Händen von Großunternehmern und Kapitalgesellschaften schritt schnell voran. Heute gibt es in der gesamten Region nur noch drei Großbetriebe, die Fabriken der Firma Pfeifer & Langen in Elsdorf (seit 1872) und Euskirchen (seit 1878) und die 1880 von Alexander Schoeller und Julius Brockhoff gegeründete Zuckerfabrik Jülich AG.
Die Jülicher Zuckerfabrik wurde 1906 Aktiengesellschaft. Nach einer schwierigen Zeit während des Ersten Weltkriegs übernahm 1930 der Rheinische Rübenbauer-Verband die Aktienmehrheit und sicherte damit der Firma die Rohstoffbasis. 1943 erreichte die Rübenverarbeitung mit 980.000 Doppeltonnen ihren bis dahin höchsten Stand, kurz bevor die Anlage 1944 dem Luftangriff auf Jülich zum Opfer fiel. Nach dem Krieg erfolgte der Wiederaufbau der Firma als bäuerliche Aktienfabrik mit Namensaktien. Von den ehemaligen Produktionsgebäuden hat sich kaum etwas erhalten. Die hohe Produktqualität und Umweltschutzauflagen erfordern einen steten Ausbau und Modernisierung der Produktionsanlagen. Die firmeneigene Werksbahn ist 1980 stillgelegt worden. Dennoch bleibt diese letzte unabhängige rheinische Zuckerfabrik bis heute Symbol für die enge Kooperation zwischen Landwirtschaft und Nahrungsgmittelindustrie.
 

Adresse:
Zuckerfabrik Jülich Aktiengesellschaft
Dürener Str. 20
52428 Jülich
Tel. 02461-6240, Fax 02461-624148
Anfahrt:
Von der A41, Anschlussstelle Koslar, durch die Jülicher Innenstadt, über die Bahnhofsstraße zur Dürener Straße
Besichtigung: Blick auf die Gebäude nur außerhalb des Betriebsgeländes möglich

zum letzten Denkmal: Felsenkeller zum nächsten Denkmal: Schlachthof Aachen