Der Aachener Hütten-Aktien-Verein Rothe Erde

Das kurze Leben eines Industrieriesen

Gabriele Harzheim

Als der Dampfkesselfabrikant Piedboeuf, der Waggonfabrikant Talbot und die Maschinenfabrikanten Neumann und Esser 1845 den gemeinsamen Betrieb eines Walzwerkes beschlossen, legten sie den Grundstein für eines der größten Metallunternehmen der Aachener Region. Doch schon 1926 musste das Werk wieder schließen.

 Ehemaliges Verwaltungsgebäude

Um von den hohen Marktpreisen für Eisen unabhängiger zu sein und - um es neuzeitlich auszudrücken - Synergieeffekte zu nutzen, schlossen sich 1845 Jacques Piedboeuf, Hugo Jacob Talbot, J.L. Neumann und Theodor Esser zusammen, um ein Walzwerk unter der Firmierung Piedboeuf & Co., Aachener Walz- und Hammerwerk als offene Handelsgesellschaft zu errichten. 1846 erwarben sie das Landgut Rothe Erde südlich von Aachen. Zusätzlich steuerte der Maschinenfabrikant Neumann sein an der Stolberger Straße gelegenes Landgut bei, so dass ein großes Gelände für den Aufbau des Industriebetriebs zur Verfügung stand. Von der Lendersdorfer Hütte bei Düren (Link zum Standort) warb man den erfahrenen belgischen Walzwerkingenieur Reiner Daelen ab. Bereits 1847 ging das Werk mit Puddelöfen, einer Blechwalze sowie Produktionsstätten für Schienen und Stabeisen in Betrieb. Doch die politisch unruhigen Zeiten führten zu einer sehr wechselhaften Geschäftslage. 1851 wurde die Gesellschaft in Karl Ruetz & Co. umgewandelt, wobei sich gleichzeitig auch Dürener Unternehmer wie die Hoeschs sowie Kölner und Duisburger Handelshäuser beteiligten.

Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs blieb die finanzielle Lage der Firma jedoch angespannt, so dass 1861 Julius Talbot, Jean Piedboeuf und Julius Esser das Werk als Geschäftsinhaber übernahmen und es 1864 in die Aktiengesellschaft Aachener Hütten-Aktien-Verein Rothe Erde umwandelten. In den nächsten Jahren entwickelte sich der Betrieb zu einem der größten "gemischten" Werke der deutschen Eisenindustrie mit einer Produktpalette, die u.a. Stabeisen, Faconeisen, Bleche, Schienen sowie Radbandagen umfasste. 1879/80 erwarb man das kurz zuvor in England entwickelte Patent für das Thomasverfahren, das darauf beruhte, dass dem Eisenerz durch den Einsatz großer Mengen an Kalk Phosphor entzogen wurde. Der Erwerb der nahen Kalkwerke in Büsbach 1889 sicherte dem Betrieb den notwendigen Rohstoff. Außerdem beteiligte sich die Firma an Erzfeldern und Hochofenanlagen in Luxemburg und Lothringen, um von den schwankenden Eisenerzpreisen unabhängiger zu sein. 1904 waren in Rothe Erde bereits über 6.600 Arbeiter tätig.

 Die Hütte Rothe Erde - Endes des 19. Jhds.

Die große Wende kam nach dem Ersten Weltkrieg, als die Aachener Hütte im Rahmen von Reparationsleistungen in Luxemburger Besitz kam. Zunächst wurde der Betrieb mit ca. 3.000 Arbeitern weiter geführt. Als Luxemburg jedoch 1922 aus der Zollunion ausschied, stand die Rentabilität des Werkes in Frage. Hinzu kam die allgemein schwierige wirtschaftliche Situation. 1926 wurde das Werk endgültig stillgelegt.

Heute sind von den ehemaligen Firmengebäuden nur noch das große, aus rotem Backstein errichtete Verwaltungsgebäude an der Hüttenstraße sowie ein Fabrikationsgebäude, die spätere Firma Strang, an der Philipsstraße/Ecke Eisenbahnweg erhalten. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude ist heute das Innovationszentrum Aachen untergebracht.

Lage:
Ehemaliges Verwaltungsgebäude des
Aachener Hütten-Aktien-Vereins Rothe Erde
Hüttenstr. 1-9 in Aachen-Rothe Erde

Ehemaliges Produktionsgebäude
(Firma Strang u. Co.)
Ecke Philipsstraße/Eisenbahnweg in Aachen-Rothe Erde
Anfahrt:
A544 Richtung Aachen-Zentrum, Ausfahrt Anschlussstelle Rothe Erde, Berliner Ring Richtung Eilendorf/Rothe Erde, Barbarastraße, Hüttenstraße
Besichtigung:
Die Gebäude sind nur von außen zu besichtigen

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